• Texttafel am Mahnmal

  • Mahnmal bei der Einweihung

  • Mahnmal bei der Einweihung

  • Skizze und erstes Knetmodell

  • Das Styrodurmodell

  • Ein Taubenmodell aus Ton in Originalgröße

  • Regelmäßige Arbeitstreffen der Kunstgruppe

  • Schweißarbeiten am CHAI-Sockel

  • Taube aus Gusseisen

  • Mahnmal

   

„Es ist uns jungen Menschen enorm wichtig, dass an diesem Ort ein Mahnmal steht, um uns daran zu erinnern, was im Oktober 1940 in unserer Stadt passiert ist“


Ein Mahnmal für Petershausen: Symbolik und Intention

Vom Bahnhof Petershausen aus wurden vor mehr als 80 Jahren, am 22. Oktober 1940, 112 jüdische Menschen aus Konstanz in das Internierungslager Gurs (Südfrankreich) deportiert. Das Mahnmal, das an die aus Konstanz deportierten jüdischen Menschen erinnert, soll auch die historischen Ereignisse sichtbar machen und die Gräueltaten der Nationalsozialisten in der eigenen Stadt vor Augen führen. Das Mahnmal soll Aufmerksamkeit erwecken, zum Nachdenken anregen, aber auch einen ästhetischen Wert haben. Es hat eine organische, lebendige Form und besteht aus zwei Elementen: einem Sockel aus Cortenstahl, der das hebräische Wort für Leben, Chai חי, darstellt sowie einer Taube aus Bronzeguss



Der Sockel, der das hebräische Wort Chai (Leben) abbildet, steht für die Lebensgeschichten der aus Konstanz deportierten Juden und Jüdinnen: für jedes einzelne vernichtete Leben, das Erlebte der Opfer und das Weiterleben. Das Leben, „Chai“, hat im jüdischen Glauben den höchsten Wert. Um Leben zu retten, dürfen auch die Gesetze der Thora gebrochen werden. In dem Mahnmal nimmt dieses Element entsprechend den größten Raum ein – jedes einzelne Leben steht für eine ganze Welt.


Die Taube

Der zweite Baustein des Mahnmals, die Taube, hat mehrere Bedeutungen. Im Judentum steht die Taube für Hoffnung und Zukunft. Außerdem symbolisiert sie das jüdische Volk. Im Christentum und universell ist sie als Friedenstaube bekannt. Somit vermittelt die Taube Frieden und Freiheit, verbindet aber auch beide Religionen und repräsentiert das jüdische Leben. Die Taube zeigt viele verschiedene Eigenschaften auf: Einerseits ist sie sehr zart und verletzlich, andererseits verkörpert sie Stärke und Freiheit. Ihre aufgeschreckte Pose erinnert an die Verfolgung, Vertreibung und Ermordung der Juden und Jüdinnen und die Bedrohung durch den heutigen Antisemitismus. Die Taube ist nach Südosten ausgerichtet, Richtung Jerusalem.

“Wir würden uns wünschen, dass das Mahnmal von Schulklassen gepflegt wird und regelmäßig besucht wird. Wir hoffen, dass durch unsere Arbeit die Geschichte nähergebracht werden kann, an die Opfer des Nationalsozialismus gedacht wird und vor allem, dass wir miteinander leben und gemeinsam dafür kämpfen, damit sich die Geschichte nie wiederholt.”

(Milana Julia Fix, Pauline Nock, Maya Roth und Gemma Quilisch)

Das Mahnmalprojekt Petershauser Bahnhof

Das 2021 eingeweihte, von vier Konstanzer Jugendlichen unter Leitung des Künstlers Harald Björnsgard entwickelte Mahnmal, das am Bahnhof Petershausen an die von dort deportierten 112 Jüdinnen und Juden erinnert, ist auch Teil des Gedenkorts Mahnmal Neckarzimmern. In Neckarzimmern erinnern in Form eines überdimensionalen Davidsternes von Jugendlichen gestaltete Erinnerungssteine an die 137 von der Oktoberdeportation betroffenen jüdischen Gemeinden Badens. Jeweils ein Zwillingsstein soll in den Gemeinden selbst aufgestellt werden. Bereits 2008 hatten Schüler*innen des Ellenrieder-Gymnasiums einen Gedenkstein in Neckarzimmern aufgestellt, doch gab es bislang kein Gegenstück in Konstanz. Seit 2018 hat sich unter Anregung der Initiative Stolpersteine mit Lehrkräften des Ellenrieder-Gymnasiums, der Gemeinschaftsschule und dem Heinrich-Suso-Gymnasium eine Projektgruppe gebildet, die seit dem Schuljahr 2019/2020 im Rahmen von Arbeitsgemeinschaften, dem Hegau-Bodensee-Seminar oder im Unterricht am Erinnerungsprojekt „Mahnmalprojekt Petershauser Bahnhof“ gearbeitet haben. Gemeinsames Ziel der beteiligten Schüler*innen war, am eigentlichen Deportationsort, dem damaligen Güterbahnhof Petershausen, mit einem Mahnmal an die Oktoberdeportation der Konstanzer Juden und Jüdinnen zu erinnern, sich aber auch im Rahmen der Projektarbeit intensiver mit der Geschichte auseinanderzusetzen und auf diese aufmerksam zu machen.

Das Projekt begann mit einer gemeinsamen Exkursion nach Neckarzimmern im November 2019, bei der über die Bedeutung und die Funktion des Mahnmals, aber auch über Material und Ausgestaltung diskutiert wurde.


Redebeitrag der Kunstgruppe bei der Mahnmaleinweihung und Gedenkfeier

22. Oktober 2021


Sehr geehrte Gäste der Gedenkfeier, liebe Angehörige,

vielen Dank, dass Sie hier, am eigentlichen, historischen Deportationsort, sind und mit uns heute dieses Mahnmal einweihen.

Das Mahnmal erinnert an die 112 jüdischen Konstanzer*innen, die vor 81 Jahren vom Petershauser Bahnhof in das Lager Gürs, in Frankreich, deportiert worden sind.

Das Mahnmal entstand im Rahmen eines Schulprojektes, so konnten wir, Gemma, Pauline, Maya und ich, Milana, zusammen mit dem Bildhauer Harald Björnsgard das Mahnmal entwerfen und bauen.

Der Sockel des Mahnmals, zwei hebräischen Buchstaben, die das Wort „Chai“ bilden, stehen für das Leben. Einerseits symbolisiert es jedes einzelne Leben der 112 Deportierten, andererseits dass das jüdische Leben auch heute einen Platz in Konstanz hat.

Ein weiteres Merkmal ist, dass „Chai“ in der Tora einen der höchsten Werte darstellt und dass alle Regeln gebrochen werden dürfen, um Leben zu retten.

Die Taube, die auf dem Sockel sitzt, verkörpert im Judentum Hoffnung und Zuversicht, im Christentum steht sie für Frieden und Freiheit. Die Taube ist südöstlich nach Jerusalem ausgerichtet, da im Judentum der Osten Hoffnung symbolisiert. Außerdem breitet sie ihre Flügel aus, ist aufgeschreckt, als wäre sie in Gefahr. Dadurch möchten wir nicht nur auf Vertreibung, und die grausame Vergangenheit aufmerksam machen, sondern auch vorausschauend in die Zukunft blicken, um zu verhindern, dass sich so ein unmenschliches Verbrechen wiederholt. Außerdem soll das Mahnmal ins Gedächtnis rufen, dass Antisemitismus leider auch noch heute ein aktuelles Thema ist, das wir ansprechen müssen.

Uns jungen Konstanzer*innen ist es wichtig zu diesem Thema Stellung zu beziehen und unsere Solidarität mit unseren jüdischen Mitmenschen zum Ausdruck zu bringen.

Diese Gestaltungsidee, wird von dem folgenden, in den Boden eingelassenen Schriftzug ergänzt: „Ihr seid nicht schuld an dem was war, aber verantwortlich dafür, dass es nicht mehr geschieht“ (Zitat Max Mannheimer, Überlebender des Holocaust).

Wir möchten mit diesem Mahnmal zeigen, dass es uns sehr wichtig ist, die Geschichte aufzuarbeiten, um daraus zu lernen und die Zukunft zu gestalten. Da immer mehr Zeit vergeht, wird es immer schwieriger die Erinnerungen aufrechtzuerhalten. Wir möchten aber auch besonders den jüngeren Generationen die Geschichte vor Augen führen. Die historischen Ereignisse der eigenen Stadt zu kennen, ist für uns relevant, da dadurch geschichtliche Tatsachen greifbarer werden.

Wir würden uns wünschen, dass das Mahnmal von Schulklassen gepflegt und regelmäßig besucht wird und hoffen, dass wir miteinander in Frieden leben und gemeinsam dafür kämpfen, damit sich die Geschichte nie wiederholt.

Wir sind hier am Petershauser Bahnhof. An diesem Tag, am 22. Oktober vor 81 Jahren standen nicht wir hier, sondern 112 jüdische Konstanzer*innen.